dies ist nicht das Original
was sie hier jetzt lesen
ist lediglich eine schlechte kopie
oder allenfalls eine gute Fälschung
das Original ist beim Autor
leider sind beide verschwunden
dies ist das Original
was sie jetzt hier lesen ist das original
es wurde vergangene woche bei christie‘s
anonym zu einem rekordpreis ersteigert
inzwischen ist leider bekannt geworden
dass es sich um ein raubgedicht handelt
BALLADE VOM GEFÄLSCHTEN BRIEFTRÄGER
DA GEHT EINER UND GIBT SICH ALS BRIEFTRÄGER AUS
MIT UNIFORM TASCHE UND ALLEM
GEHT ZU SEINEM HAUS KLINGELT AN SEINER TÜR UND
STEHT DA MIT NICHTS IN DEN HÄNDEN
ÖFFNET BEIM ERSTEN KLINGELN VON INNEN UND
SIEHT SICH MIT NICHTS IN DEN HÄNDEN
NUN DREHT ER SICH UM UND WILL FORT
DA HÄLT IHN VON HINTEN SEIN EIGENER ARM UND
ER KÄMPFT MIT SICH DIESEN EIGENEN KAMPF
UM DEN BRIEF VON UNBEKANNTER HAND
AN IHN ADRESSIERT DOCH NIE VERSANDT
GERNGLÄUBIG
sainte Marie de la MER
SAMT MAGDOLNA UND
STIERKAMPF UND
EINSIEDELN UND
MARIA sTEIN
ZU ZWEIN
ALLEIN
DRÄCHTIG VON ALLEM
Bin nur ein Drichter
brächtig vor allem
was mir geviel
Ein Drichter nur
drächtig von allem
was durch mich fiel
Ein Tagesieb und
Philter voll allem
was durch mich viel
Kein Vieltier nicht
nur ein Drichter
drächtig von allem
jetzt erreichen meine hier ins netz gesetzten zeichen deine netzhaut
ZWEIHUNDERTSECHSUNDFÜNFZIG zeichen
das leuchten des lichts in der luft
über den hügeln
das durch die hügel gleitende
Grün der wiesen
die sich durch die wiesen
windende strasse
das dutzend bäume
um das haus
der den garten
querende weg
der ungedeckte Tisch
unter dem himmel
auf dem Tisch das blatt
mit diesen zweihundertsechsundfünfzig zeichen
federleicht
Lass dir dieses blatt
mit diesen worten
als papierflieger
leichtfertig
e n t g l e i t e n
Wortlos
Ist ein was weiss nicht wie
Wer es kennt nennt es nie
Wer es nennt kennt es nie
Ist ein Wie weiss nicht wo
Wörter
Ein Wort finden
Eine Haut schieben
zwischen sich
und etwas
Ein durchsichtiges Lid
über das Auge
schliessen
Hören
Die Flut
all der Geräusche
Mein Ohr ein Trichter
Eine Zuckermuschel
das deine
Bloss das Stranden
des Atems
Sprechen
Gedanken übersetzen
in vibrierende Luft
Mit einer Zunge
zwei Ohren kitzeln
Vibrierende Luft
in Gedanken übersetzen
fluchen und flüstern
glückliche geschwister
flüstern und Fluchen
kraftwerk der sprache
Eng an den ritzen des lebens
Nah verwandt dem gesang und
dessen schöner schwester
WITZE
WÖRTER BEATMEN BIS SIE SICH REGEN
SCHWEBEN FRECH WIE STRATOSPATZEN
ABFLATTERN UND PLÖTZLICH PLATZEN
wortspiel
kopf oder kopf
münze werfen
worte würfeln
bin ich spieler
oder spiel
Sei still
sCHWEIGEN
ganz Bloss sich selbst
wie ein ungedeckter tisch
wie ein ungedeckter tisch
unter dem stummen himmel
ganz teil von allem
Schönste stille
Schreiben
Linien zeichnen
in denen Gedanken
Schlange stehen
Haut um Haut
abstreifen
Tiefer
in den Apfel
beissen
Dichten
ohne lupe
das licht
der wörter
bündeln bis
das papier
brennt
oder lieber
die lunte
du siehst hier nur meine zahllosen Zeichen - alles weitere liegt nun an dir
GEDICHT I
EIGENTLICH FAST NICHTS
NUR DIE WORTE AUF
DIESEM PAPIER
ODER NOCH WENIGER
NUR DER KLANG
DIESER WORTE
ODER VIELLEICHT SOGAR
NUR DAS ERINNERN
DIESES KLANGS
Gedicht II
nichtiges geschöpf
umsonst gezeugt
wenn nacht und tat
und traum und tag
sich flüchtig treffeN
mobile
dieser tanz von
schwarz auf weiss
ein mobile
aus buchstaben
im wortwind
leichtes gepäck
loses erinnern
im wort luftig
kristallisiert
wie in wunden
geronnenes blut
schön vernarbt
ineinander
unserer Zungen Tanz
dein dich mir öffnen
mein in dich gleiten
im blindlings schönen
rundum umschlungen
bis wir uns ganz
ineinander strömen
SINGEN
gEH AUF DER BRÜCKE VOm SINN zum KLANG
der atem aller OBEN UNTEN MEER
KLING NAH entrückt dem wort entlANG
GEH DIR DORT HIN UND HER
namen
da fiel dein name
einer deiner vielen namen
einer deiner letzten namen
fiel leicht zum letzen mal
SPRACHLOS
Ist ein hier da und dort
Findet keinen platz im wort
Findet keinen sinn im satz
Ist ein hier da und fort
ultra marin
Am Abend fluten alle Farben zur
leuchtenden Seite der Erde
Das Blau meiner Feder blinkt dann am
Hals eines Kakadus Und
fliesst mir in die Hand zurück wenn
dort das Licht verebbt
puls
der atem herzt
den schritt
im schritt atmet
das herz
der puls schreitet
zu dritt
das halbe leben
hab ein halbes leben gebraucht
die wörter an mich zu gewöhnen
nun bleiben nur ein paar jahre noch
das schweigen mit mir zu versöhnen